Ein Beitrag von Karin Eckes, Trauerbegleiterin
Vor einiger Zeit habe ich mit Julia, wie schon so oft mit vielen anderen Frauen, darüber gesprochen, wie sehr sie die “stille Trauer” belastet und wie aus der stillen Trauer eine etwas lautere werden könnte.
Julia fühlt sich seit dem Tod von Theo abgeschnitten von der Welt, alles um sie herum ist so still geworden. Sie erzählt, dass sie sich wie in einer Blase fühlt, in der sie ganz allein ist, kaum ein Wort dringt zu ihr durch: “überall um mich herum ist Leben, das seinen ganz normalen Gang zu gehen scheint und ich wundere mich. Wundere mich, wo ich hier bin, wundere mich, dass die anderen mich nicht bemerken, meine Blase nicht sehen, sich nicht wundern. Sich so verhalten, als sei nichts passiert, ihr Ding einfach weiter machen, was ich (Julia), so denke ich, nie mehr tun kann. Die Menschen sind mir fremd geworden, oder ich Ihnen? Ich verstehe es nicht. Und das ist nur eine Sache, die ich nicht verstehe. Ich habe das Gefühl, ich verstehe gar nichts. Und ich habe das Gefühl, die anderen verstehen auch gar nichts. Verstehen nicht, dass es meinen Sohn wirklich gegeben hat. Und wirklich gibt. Dass er einen Namen hat, einen Geburtstag, dass seine Augen genauso ausgeschaut haben wie die seines Vaters. Und dass sich meine Arme so leer anfühlen, und mein Herz. Und dass ich mich nicht melden kann, wenn ich was brauche. Was soll ich denn brauchen? Es wäre schön, wenn sie mir einfach mal zuhören oder einfach mit mir schweigen würden. Meine Blase bemerken, kurz innehalten, nahekommen, mit mir ein Stück aushalten, was ich den ganzen Tag aushalte. Aushalten muss. Mein Sohn wird mir immer fehlen!”
Für die Welt, so erlebt es Julia, scheint Theo gar nicht mehr zu existieren, für Julia wird er immer ihr Sohn sein, ein ganz wichtiges Familienmitglied. An den sie viel denkt, den sie vermisst und manchmal die Sehnsucht nach ihm kaum aushalten kann.
Dann schreibt Julia Briefe, an Theo und an andere Menschen, die erlebt haben, ein Kind gehen lassen zu müssen. Persönlich kennt sie aber niemanden, mit dem sie die Trauer um ein verlorenes Kind teilen könnte.
So haben wir die Idee entwickelt, dass eine Brieffreundschaft mit anderen Betroffenen helfen könnte. Ich habe mit ein paar Frauen, die ich in der Trauer begleite, gesprochen, ob eine Breiffreundschaft zu Betroffenen auch für sie eine gute Idee sein könnte, und ja:
Julia hat in der zwischenzeit 2 Brieffreundinnen gefunden und das Briefeschreiben an andere Betroffene hilft ihr, es tut ihr, so sagt sie, nun noch besser als zu der Zeit, als sie die Briefe “nur” für sich geschrieben hat.
Karin Eckes, Trauerbegleiterin http://wie-weiter.com/trauerbegleitung/
Foto: © Pixabay